Schwere Pakete

"Seid freundlich. Jeder trägt ein schweres Paket."

Diesen Ratschlag gab der schottische Autor und Theologe Ian McLaren 1897 seinen Lesern in der British Weekly. Gemeint waren damit wohl die inneren Belastungen und Probleme, die man im täglichen Miteinander allzu leicht übersieht. In vielen Situationen sind sie es aber, die zu Missstimmung, Ungeduld und Streit führen.

Nicht zu übersehen sind die schweren Pakete, die einige unserer Mitmenschen tragen: Die Zusteller verschiedener Paketdienste und Internethändler! Häufig haben sie Migrationshintergrund, wenig Deutschkenntnisse und eine denkbar schlechte Perspektive auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb schleppen sie für an Unverschämtheit grenzenden Lohn unsere Schnäppchen an die Haustür – in der Lockdownzeit nicht selten bis spät in die Abendstunden. Mit ihrem Job, den immer weniger Leute machen wollen, erleichtern sie uns das Leben.

Der Apostel Paulus setzt dem Ratschlag McLarens sogar noch eines drauf: An die junge Gemeinde in Galatien schreibt er: "Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen." Das ist kein Naturgesetz, auch kein Liefervertrag, sondern die Einladung in eine tragende Gemeinschaft von Menschen, Familienmitgliedern, Freunden, Nachbarn und sogar einander Fremden! Menschen, die es grundsätzlich gut miteinander meinen und großzügig mit ihrer Freundlichkeit sind. Wie gut, wenn man weiß, dass Fehler verziehen werden, dass nicht mit Ungeduld und Verärgerung reagiert wird, wenn etwas nicht gleich läuft oder nervt.

Ich trage sicher nicht die Pakete unseres Paketboten. Die nachhaltigste Lösung wäre allerdings, die Arbeit der Zusteller mehr wertzuschätzen und ihnen endlich einen gerechten Lohn zu zahlen. Diesen zu erhöhen, liegt aber selten in unserer Macht. Deshalb mein Vorschlag (nicht nur für den Umgang mit Paketboten): Beherzigen Sie McLarens Rat!

 

Maike Telkamp

Koordinationsstelle Flüchtlingsarbeit im Evang.-lutherischen Dekanat München
Evangelisches Migrationszentrum
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