Jesus mitten in München-Süd

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"Jesus von Fürstenried" nennen wir dieses Bild von Walter Habdank. Es ist eine improvisierte Gelegenheitsarbeit für den ersten Gottesdienstraum unserer Kirchengemeinde Andreaskirche. Die Barackenkirche mit 80 Stühlen wurde am 1. Advent 1961 eingeweiht. Für diese Notkirche hat Walter Habdank in wenigen Tagen dieses Bild als einzigen Schmuck in der Kirche gemalt. Lange Jahre war das Bild verschollen, bis es zusammengerollt auf einem Schrank wiedergefunden und renoviert wurde.

Jesu Einzug in Jerusalem wird so gar nicht triumphal dargestellt. Die Stimmung ist gedrückt. Der kleine Esel lässt den Kopf hängen. Bei dem aufsitzenden Jesus fallen die für Habdank typischen Proportionen auf. Hände, Füße und der Kopf sind zu groß im Vergleich zu dem übrigen Körper.

Es scheint, dass Esel und Reiter Schweres zu tragen haben. Der Esel trägt den Reiter und der Reiter Jesus die Schuld der Welt.

Die Handgeste Jesu ist in der christlichen Ikonographie sehr gebräuchlich. Die rechte erhobene Hand - ohne eine Waffe - ist erst einmal ein Zeichen für friedliche Absichten. Neben Frieden bedeutet die Geste auch Heil und Segen, den Jesus spendet. Die Fingerhaltung erscheint auf vielen Jesusbildern und ist ja eher ungewöhnlich im täglichen Leben. Die Deutung der drei gestreckten Finger wäre dann die Trinität – Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die beiden angewinkelten Finger stehen dafür, dass Jesus wahrer Gott und wahrer Mensch ist.

Auffällig ist auch die rote Farbe, die im Hintergrund Jesus umgibt und wohl im Laufe der Zeit ein wenig gelitten hat. Durch den Kreuzestod Christi erlangte Blut in der Lehre und Praxis des Christentums eine besondere Bedeutung. Besonders in der orthodoxen Tradition ist Rot auch die Osterfarbe. Auf dem Auferstehungsbild des Isenheimer Altars hat der Maler Matthias Grünewald den auferstandenen Jesus mit einem roten Tuch gemalt. Rot ist die Farbe Gottes.

Dies alles steht für mich in einem gewissen Widerspruch zu dem Ereignis, das das Bild zeigt. Beim Einzug Jesu in Jerusalem haben die Menschen ihre Kleider auf den Weg vor Jesus gelegt und laut Hosianna gerufen.

Das Bild drückt die Kriegserfahrungen der ersten Generation unserer Kirchengemeinde aus. Man kann diese Aussage aus dem zeitgeschichtlichen Hintergrund heraus gut verstehen. Oder ist in diesem Bild bereits die Kreuzigung Jesu fünf Tage später mit ausgedrückt? Da rief die Menge dann: Kreuzigt ihn!

Pfarrer Johannes Schuster